Torsten A. Hoffmann: Fotografie als Meditation

Jeder schreitet auf das Bild zu, das er in sich trägt.
— Torsten A. Hoffmann

Fotografie ist so viel mehr als ein mechanischer Prozess, der die Wirklichkeit abbildet. So kann die Fotografie als Meditation praktiziert werden. Wer sich darauf einlässt, findet nicht nur Ruhe und Gelassenheit in einer zunehmend hektischeren Welt. Er begibt sich auch auf eine Reise zur Quelle der eigenen Kreativität. Wie der Weg der Achtsamkeit in der Fotografie aussehen kann, darum geht es in diesem Interview mit Torsten Andreas Hoffmann.

Fotografie bedeutet für jeden etwas anderes. Am häufigsten ist dabei wohl der Wunsch, schöne Momente mit der Familie und Freunden festzuhalten. Ein Bild bietet die Möglichkeit, in Gedanken jederzeit zum Erlebten zurückzukehren – eine Erinnerungsstütze also, um bedeutende Erfahrungen nicht zu vergessen. Hinter der bloßen Abbildung der Wirklichkeit steckt aber sehr viel mehr. Fotografie ist immer auch ein Ausdruck der eigenen Gedanken und Gefühle.

Darüber hinaus ermöglicht sie es, Bilder, die wir in der Fantasie malen, sichtbar zu machen. Der französische Fotografie sagte treffend: „Jeder schreitet auf das Bild zu, das er in sich trägt.“

Meditation als Motor der Kreativität

Häufig steht der hektische Alltag dem jedoch im Weg. Der Zugang zu der inneren Welt bleibt verschlossen. Und hier kommt die Meditation ins Spiel. „Gute Fotografie“, sagt Torsten A. Hoffmann, „braucht Zeit und Freiraum.“ Sich in die Stille der Meditation zu versetzen, sorgt dafür, die eigene Kreativität in Gang zu bringen. Am Anfang wird das schwerfallen. Wer sich schon einmal hingesetzt hat, um nur seinen Atem zu beobachten, der wird mit Sicherheit schnell dem inneren „Plappermaul“ begegnet sein.

So nennt Torsten A. Hoffmann die Stimme, die uns permanent darauf hinweist, was wir noch zu haben oder uns erklärt, wie Erlebtes zu bewerten ist.

Statt den Moment bewusst wahrzunehmen, schweifen wir ab. Die Gedanken sind entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Wir sind ständig damit beschäftigt, durch den Filter unserer eigenen Erfahrungen und Werte, die Welt um uns herum zu erklären und ihr einen Sinn zu geben. Meist geschieht das vollkommen unbewusst. Wir werden von unseren eigenen Gedanken herumgestoßen wie ein Stück Treibholz in einem reißenden Fluss. Sich dessen bewusst zu werden, ist der erste Schritt, zu innerer Ruhe. Torsten A. Hoffmann: „Wenn wir aufhören, das, was wir wahrnehmen, in ein rationales Bezugssystem einzuordnen, öffnen wir uns für eine unmittelbare Erfahrung.“

Bilder, die wirklich etwas bedeuten

Was passiert, wenn wir nicht dem inneren „Plappermaul“ die Regie überlassen, sondern stattdessen der Intuition das Ruder überlassen? Die Bilder, die aus einer unmittelbaren Erfahrung der Wirklichkeit entstehen, werden zu einem Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Fotografie wird so zu etwas, das im krassen Gegensatz zu achtlosen Schnappschüssen steht, die heutzutage täglich millionenfach gemacht und auf Social-Media-Plattformen verbreitet werden. Was diesen Bildern fehlt ist zweierlei. Zum einen verfügen sie über eine geringe Halbwertzeit. In dem Moment, wo man sie betrachtet hat, rutschen sie auch schon wieder in Vergessenheit. Sie besitzen nicht die Kraft, den Betrachter länger als einen flüchtigen Wimpernschlag zu fesseln.

Außerdem fehlt die emotionale Bindung. Wer ständig daran denkt, wie er etwas in Szene setzen kann und den Finger am Auslöser hat, erlebt die Welt durch den Sucher der Kamera. Fotografie wird so schnell zu einem Leben aus zweiter Hand. Die Schriftstellerin Gustie Herrigel brachte es wunderbar auf den Punkt: „Für die Kunst gilt, dass man nicht erreichen kann, was man nicht empfunden hat.“ Jeder Ausdruck setzt also ein Erlebnis verbunden mit intensiven Eindrücken voraus. In seinem Buch „Fotografie als Meditation“* plädiert Torsten A. Hoffmann dafür, die Fotografie als Methode zur Entschleunigung einzusetzen.

Aus dem Lateinischen kommend, bedeutet Meditation per Definition „Ausrichtung zur Mitte“. Egal, welchem Glauben man anhängt – das Streben nach innerer Harmonie findet sich in den meisten Religionen und philosophischen Denkschulen. Auch wenn Torsten A. Hoffmann für sich den Weg des Zen-Buddhismus gewählt hat, so argumentiert er fern von Dogmen. Unabhängig der Konfession lädt er dazu ein, mittels der Fotografie unter die Oberfläche zu tauchen und der eigenen Persönlichkeit auf die Spur zu kommen. Er sagt: „Zen wird uns erkennen lassen, dass die Welt, so, wie wir sie wahrnehmen, ein facettenreiches Spiegelbild der Seele ist.“

Street Photography als Übungsplatz der Meditation

Wie gesagt, Zen ist nur ein Weg, zu dieser Einsicht zu gelangen und den kreativen Prozess in Schwung zu setzen. Andere kontemplative Praktiken können dies ebenso leisten. Schon Aristoteles wusste: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Selbst wenn wir nüchtern das „große Ganze“ betrachten, ergeben sich fernab von Rationalität noch Welten, die mit Logik allein nicht zu erreichen sind. Um den Geist zu ergründen, bedarf es eines Gegenpols – der Intuition. Sie eröffnet uns andere Perspektiven. Um diese zu entdecken und abzubilden, ist die Fotografie ein geeignetes Hilfsmittel. Meditation hilft nicht nur dabei, aus der Ruhe heraus die kreativen Kräfte freizusetzen. Auch das Fotografieren selbst kann als Akt des Meditation verstanden werden. Ganz besonders deutlich wird das in der Street Photography – auch wenn das beim ersten Gedanken vielleicht verwundert. Ist der Straßenfotograf nicht jemand, der rastlos auf und ab läuft? Wie eine Flipperkugel, die zwischen Menschenmengen in Metropolen hin und her schießt.

Ruhe finden in hektischer Umgebung

Gleichsam erfordert dieses spezielle Genre aber ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Um den „entscheidenden Moment“ à la Henri Cartier-Bresson zu erwischen, in dem sich alle flüchtigen Elemente für den Bruchteil einer Sekunden in perfekter Harmonie vereinen, bedarf es eines extrem wachen und fokussierten Geistes. Der Zen-Buddhismus nennte diesen Zustand „Samadhi“. Der Begriff bedeutet „Versenkung“ oder „Sammlung“ und bezeichnet einen Bewusstseinszustand, der über Wachsein, Träumen und Tiefschlaf hinausgeht und in dem das diskursive Denken aufhören soll. Insofern bietet Street Photography einen perfekten Übungsplatz, um seine Aufmerksamkeit trotz äußerer Hektik auf ein spezielles Ziel zu richten: Komplexe Situationen zu analysieren und den Moment zu antizipieren, in dem das scheinbare Chaos in Harmonie verschmilzt.

Im zweiten Teil des Gesprächs mit Torsten Andreas Hoffmann geht es darum, warum gerade die Street Photography ein ideales Trainingsfeld für Meditation ist. Außerdem sprechen wir darüber, wie Fotografie die eigene Persönlichkeit nicht nur ausdrücken, sondern auch maßgeblich entwickeln kann.

In seinem Buch „Fotografie als Meditation“* plädiert Torsten Andreas Hoffmann dafür, die Fotografie als Methode zur Entschleunigung einzusetzen. Aus dem Lateinischen kommend, bedeutet Meditation per Definition „Ausrichtung zur Mitte“.

Egal, welchem Glauben man anhängt – das Streben nach innerer Harmonie findet sich in den meisten Religionen und philosophischen Denkschulen. Auch wenn Torsten Andreas Hoffmann für sich den Weg des Zen-Buddhismus gewählt hat, so argumentiert er fern von Dogmen.

Unabhängig der Konfession lädt er dazu ein, mittels der Fotografie unter die Oberfläche zu tauchen und der eigenen Persönlichkeit auf die Spur zu kommen. Er sagt: „Zen wird uns erkennen lassen, dass die Welt, so, wie wir sie wahrnehmen, ein facettenreiches Spiegelbild der Seele ist.“

Torsten A. Hoffmann

Wenn wir aufhören, das, was wir wahrnehmen, in ein rationales Bezugssystem einzuordnen, öffnen wir uns für eine unmittelbare Erfahrung.
— Torsten A. Hoffmann

Torsten Andreas Hoffmann ist Fotograf, Autor und Workshop-Leiter. Seine Bilder sind in renommierten Magazinen wie GEO, Merian oder Chrismon veröffentlicht worden.

Zudem schreibt er regelmäßig Beiträge für Foto-Zeitschriften, in denen er sich mit Themen wie Kreativität, Bildkomposition und fotografisches Sehen beschäftigt.

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Kai Behrmann

Hallo, ich bin Kai. Fotografie bedeutet für mich erleben. Es geht nicht nur um das Einfrieren eines Moments, sondern darum, ihn zunächst aktiv zu spüren. Und zwar mit allen Sinnen. Erst dann kommt die Kamera ins Spiel.

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