Gunther Wegner: Experte für Fotoreisen und Zeitrafferfotografie

Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken. Dadurch wird die Fotografie auch nie langweilig.
— Gunther Wegner

Gunther Wegner bietet weltweit Fotoreisen an und hat eine Software für Zeitrafferfotografie entwickelt. In diesem Interview verrät er, wie die Time-Lapse-Technik funktioniert und wie du deine Erlebnisse in fremden Ländern in bewegenden Bildern festhältst.

Gunther Wegner über:

…den Weg in die Selbstständigkeit: „Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert und bin anschließend zunächst ganz klassisch in die Businessschiene hineingeraten. Als Projektmanager war ich im Bereich der Softwareentwicklung tätig. Zu meinem Hobby der Fotografie bin ich damals nur noch selten gekommen. Immer wieder kamen dann auch Gedanken auf wie: Wenn ich Zeit hätte und reisen könnte, was würde ich dann machen?

Der Wendepunkt kam durch die Beschäftigung mit der Zeitrafferfotografie. Das Thema habe ich neben dem Job für mich entdeckt. Ich habe festgestellt, dass das nicht nur eine unheimlich spannende Nische ist, sondern diese auch in Sachen Software noch nicht besetzt war. Also habe ich angefangen, in meiner Freizeit zu programmieren. Das Ziel: Mit Hilfe von Lightroom und einer externen Software Zeitrafferaufnahmen zu bearbeiten.

Das Ganze hat so einen Nerv getroffen, dass das Projekt schnell immer größer wurde. Am Markt gab es noch keine andere Lösung. Ich habe dann eine Webseite gebaut und verschiedene Downloads zu Verfügung gestellt. Das Feedback war derart positiv, dass ich schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt habe. Die Time-Lapse-Software hat mir ermöglicht, auch andere Dinge rund um die Fotografie zu machen – wie zum Beispiel Workshops oder Fotoreisen.“

…seine Faszination für die Fotografie:

„Ich habe schon als kleiner Junge mit den Kameras meiner Eltern herumgespielt. Das war noch zu analogen Zeiten. Mit 14 Jahren habe mir dann meine erste eigene Spiegelreflexkamera gekauft. Es gibt Phasen, in denen ich mich für unterschiedliche Dinge interessiere. Und das ist das Schöne an der Fotografie. Ob Makro, Sport, Wildlife oder Portrait – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wie man sich austoben möchte. Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken. Dadurch wird die Fotografie auch nie langweilig. Die Reisefotografie nimmt bei all dem einen besonderen Stellenwert ein. Unterwegs wird man ständig mit dem Neuen und Faszinierenden konfrontiert. Das, was man dabei empfindet, wenn man ein fremdes Land bereist, mit der eigenen Subjektivität zu garnieren, das finde ich extrem spannend.

Wenn ich mit meinen Fotogruppen auf Reisen bin und wir abends die Bilder des Tages anschauen, wird mir das immer wieder klar. Wir waren alle größtenteils an den gleichen Orten, aber trotzdem macht jeder unterschiedliche Fotos. Das zeigt, wie viel Individualität in jedem Menschen steckt. Genau das versuche ich zu fördern: Die persönlichen Erlebnisse in Fotos umzusetzen.

Dabei sind nicht einmal außergewöhnliche technische Fähigkeiten notwendig. Das ist in der Malerei zum Beispiel ganz anders. Um eine Landschaft in Ölfarben auf die Leinwand zu bringen, bedarf es schon einer größeren Begabung bei der Beherrschung der Technik. Natürlich muss man auch seine Kamera beherrschen. Im Vergleich zu anderen Disziplinen ist das aber recht einfach. Viel wichtiger – und auch schwieriger – ist es für einen Fotografen, die eigene Kreativität in Bildern umzusetzen. Das fängt mit dem Standort an. Es kann einen großen Unterschied machen, ob ich ein paar Meter nach rechts oder links gehe. Oder ob ich runter in die Hocke gehe. Technisch ist das einfach, aber solche Dinge müssen erkannt und bewusst umgesetzt werden.“

…die Entwicklung eines fotografischen Blicks: „Das ist ein stetiger Prozess, der nie endet. Ich habe nie an einem Workshop teilgenommen, in dem mir das jemand erklärt hat. Stattdessen habe ich selbst viel ausprobiert und mir Gedanken gemacht. Diese Didaktik versuche ich heute so einfach und verständlich zu transportieren. Oft werden Dinge in der Fotografie so kompliziert erklärt, dass sie am Ende nur verwirren. Die Essenz ist doch ganz einfach. Die Frage lautet: Was möchte ich mit dem Bild zeigen? Anschließend geht es darum, sich über die Mittel Gedanken zu machen, die zu dem gewünschten Ergebnis führen, das in erster Linie einem selbst gefallen sollte. Ich halte nichts davon unter der Prämisse zu fotografieren, dass es anderen Menschen gefällt.

In diesem Zusammenhang hilft es, sich das „Sender-Empfänger-Prinzip“ klarzumachen. Die Reaktion auf Fotos hängt immer davon ab, an welcher Stelle der Betrachter steht. Ein Anfänger findet möglicherweise ein Bild gelungen, dass ein etwas erfahrenerer Fotograf aussortiert hätte. Also: Bei Feedback sollte man sich immer genau überlegen, wer die Person ist, die dahintersteckt. Man muss sehr vorsichtig damit sein, wie man a.) Kritik äußert und b.) von wem man sich Kritik holt beziehungsweise von wem man Kritik annimmt. Jemand der Kritik äußert, sollte sich dessen bewusst sein, dass er damit auch eine Menge kaputtmachen kann und daher auch ein gewisses Maß an Verantwortung übernimmt.

Bei allem Fokus auf den kreativen Prozess kann man die Technik natürlich nicht ganz vernachlässigen. Auch wenn die Kamera ein relativ einfaches Werkzeug ist, sollte man sie beherrschen. Denn: Sobald ich anfange, über Einstellungen nachzudenken, bin ich aus meiner Kreativität raus. Ein einfaches Set-Up der Kamera ist wichtig – dann ist das aus dem Kopf verbannt und man kann sich in Ruhe um die Motive kümmern.“

…über Tipps für gute Reisefotografie:

Portrait: Gerade in etwas abgelegenen Regionen gehört der Kontakt zu Menschen zu den spannendsten Momenten auf einer Reise. Mit diesem Thema sollte man aber sehr behutsam umgehen – gerade, wenn man mit einer größeren Gruppe unterwegs ist. Dann kann man nicht einfach in ein kleines bolivianisches Bergdorf mit zehn Fotografen und großen Kameras einmarschieren. Sensibilität und ehrliches Interesse ist beim Umgang mit den Einheimischen sehr wichtig. Bevor man zum Portrait ansetzt, sollte man Kontakt mit den Menschen aufnehmen – wenn es über die Sprache nicht funktioniert, dann auf einer nonverbalen Ebene über Gestik und Mimik.

Zeit: Wenn es der Reiseplan zulässt, ist es hilfreich, einen Ort erst mal ohne Kamera auf sich wirken zu lassen. Was empfinde ich? Was strahlt die Umgebung aus? Was spricht mich an? Welche Stimmung herrscht? Welche Gerüche und Geräusche gibt es? Wenn man den Ort mit allen Sinnen erforscht und die Essenz aufgenommen hat, dann kann man anschließend überlegen, wie man das Empfundene in Bildern festhält.

Respekt: Auf Reisen ist man immer Gast bei anderen – dementsprechend sensibel und respektvoll sollte man sich auch verhalten.

Flexibilität: Anders als im Studio kann man die Rahmenbedingungen auf Reisen viel weniger beeinflussen. In der Natur ist man nicht bei „Wünsch dir was“. Man muss die jeweilige Situation so akzeptieren, wie sie ist. Zum Beispiel das Thema Licht: Auch an einem bewölkten Tag kann man gute Fotos machen. Wenn es für Landschaftsaufnahmen nichts hergibt, dann kann man immer noch Portraits machen und den gleichmäßig verhangenen Himmel als große Softbox benutzen.

…die Herausforderung, vor der eigenen Haustür spannende Motive zu finden: „Es gibt überall wahnsinnig viel zu entdecken. Auch zu Hause sind die Bedingungen nicht immer gleich: Das Wetter ändert sich, die Jahreszeiten. Man kann in unterschiedliche Richtungen ausschwärmen. Und wenn man sich ins Auto setzt und in eine Stadt in der Nähe fährt, in der man bisher noch nie war. Zudem gibt es die Möglichkeit, durch einen Objektivwechsel für ganz andere Perspektiven und Effekte zu sorgen. Wenn man sich mit einem Makro-Objektiv ins Heu oder auf die Wiese legt, werden sich ganz andere Sichtweisen eröffnen, als wenn man mit einem Weitwinkel unterwegs ist.

Wenn jemand sagt, dass er verreisen muss, weil es ihm daheim zu langweilig ist und er keine Motive mehr findet, dann macht er etwas falsch. Vielleicht sucht er nur nach Postkartenmotiven. In dem Fall ist man vielleicht schnell mit den markanten Sehenswürdigkeiten durch. Aber wenn man sich auf die Suche nach den eigenen Motiven macht, dann sind die Möglichkeiten unendlich.

Die Fotografie kann einem dabei helfen, die gewohnte Umgebung mit anderen Augen zu sehen. Eine gute Übung ist es, sich ein Thema oder Projekt zu suchen und dieses konsequent zu verfolgen. Zum Beispiel: Ein Fotobuch mit Schwarz-Weiß-Fotos von meinem Ort. Das eröffnet auf einen Schlag ein völlig neues Bilduniversum.“

…über die Bildbearbeitung: „Wer fotografiert und seine Bilder anschließend nicht bearbeitet ist wie ein Angler, der seine Fische nicht isst. Ich freue mich immer unheimlich darauf, mich mit meinen Fotos in der Nachbearbeitung zu beschäftigen. Da geht die Kreativität weiter. Heutzutage hat man so fantastische Möglichkeiten in Lightroom oder anderen Programmen. Dabei geht es nicht um Bildmanipulation, sondern einfach darum, über die Ergebnisse kreativ nachzudenken. Das fängt bei der Bildauswahl an und geht bei Fragen nach dem Bildschnitt oder dem Setzen des Weißabgleichs und der Kontraste weiter. Früher haben die Fotografen doch auch tagelang in der Dunkelkammer an der Entwicklung der Abzüge getüftelt.

Viele sagen: Wenn ich beim Fotografieren schon alles richtig mache, dann kommt das Bild perfekt aus der Kamera. Das ist Quatsch. Ich fotografiere oft bewusst so, dass die Bilder nicht gut aussehen, wenn sie aus der Kamera kommen. Denn ich weiß, dass ich dann anschließend in der Bearbeitung mehr herausholen kann. Zum Beispiel achte ich darauf, tendenziell eher etwas unterzubelichten, um die Lichter nicht ausfressen zu lassen, damit man sie später in der Nachbearbeitung nicht verliert. In der Architekturfotografie wähle ich einen größeren Ausschnitt, um die stürzenden Linie hinterher korrigieren zu können.

In der Digitalfotografie finde ich daher die Aussage falsch, dass das Bild schon auf dem Display optimal aussehen muss. Das Resultat, das dort zu sehen ist, ist nur das, was die Kamera entwickelt. Dabei geht es in erster Linie darum, gut beurteilen zu können, wie viel von dem großen Kontrastumfang auf dem Sensor gelandet ist, um in der Nachbearbeitung daraus ein wirklich schönes Bild zu machen. Ich warne davor, zu viel an den Kameraeinstellungen zu drehen, damit das Foto gut auf dem Display aussieht. Das ist vergebene Liebesmühe. Das funktioniert später am Monitor viel besser.“

Gunther Wegner

Wer fotografiert und seine Bilder anschließend nicht bearbeitet ist wie ein Angler, der seine Fische nicht isst. Ich freue mich immer unheimlich darauf, mich mit meinen Fotos in der Nachbearbeitung zu beschäftigen. Da geht die Kreativität weiter.
— Gunther Wegner

Geboren wurde Gunther Wegner in Porto Alegre, Brasilien. Als kleiner Junge zog er aber mit seinen Eltern zurück nach Deutschland. Heute lebt er in der Nähe von Hamburg. Die Leidenschaft für die Fotografie entdeckte Gunther schon sehr früh. Auf Reisen war die Kamera immer dabei. Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik arbeitete er zunächst als Projekt- und Bereichsleiter in einem Softwarehaus, ehe er sich 2012 selbstständig machte.

Seine IT-Kenntnisse und die Faszination für Zeitraffer-Fotografie führte er erfolgreich zusammen und entwickelte die Software LRTimelapse. Damit gelang es ihm, den „Heiligen Gral“ der Zeitraffer-Technik zu finden – den stufenlosen Übergang zwischen Tag und Nacht. Sein Wissen gibt Gunther in Workshops, Büchern und auf Fotoreisen weiter.

Auch an Produktionen von Naturfilmen ist er beteiligt. Weitere Informationen findest du auf seiner Webseite, die 2013 von der Fotocommunity zum besten Fotoblog gewählt wurde. Gemeinsam mit Patrick Ludolph, der mit seinem Projekt „Neunzehn72“ zu den bekanntesten Foto-Bloggern Deutschlands zählt, geht Gunther regelmäßig auf YouTube mit der Show „Fotoschnack“ auf Sendung.

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